Erwerb interkultureller Kompetenz: Was wir schon immer ahntenIn der November Ausgabe des Personalmagazins erschien (PERSONALmagazin, Heft 12/2008, S. 37) ein sehr interessantes Interview mit Professor Gerald Hüther, einem Neurobiologen. Während sich in der Vergangenheit eher die Geisteswissenschaftler mit dem Phänomen Interkulturelle Kompetenz befassten, war es eine interessante Idee des Personalmagazins einmal einen Biologen zu Wort kommen zu lassen. Es wird so schnell keine Pillen geben, die den Erwerb interkultureller Kompetenz erleichtert. Die Trainerbranche kann also aufatmen. Herr Professor Hüther machte aber eine Sache deutlich: »... das Wecken dieser eigenen Motivation [ist] die entscheidende Voraussetzung für den Erfolg aller interkulturellen Fortbildungsmaßnahmen.« (ebd.).Meine Überraschung hinsichtlich dieser Forschungsergebnisse hielt sich ehrlich gesagt in Grenzen. Nicht selten trifft man im Training auf Teilnehmer, welche von Professor Hüther als die Spezies Mensch beschrieben wird, die sich schwertut, interkulturelle Kompetenz zu erwerben. Entscheidend für die Entwicklung interkultureller Kompetenz ist nach Meinung des Biologen die kindliche Prägung. Jedes Kind habe ein angeborenes Potenzial zur Entwicklung interkultureller Kompetenz, aber bei Leibe nicht jedes Kind würde lernen, dieses Potenzial auch auszuschöpfen. Es bedürfe eines offenen Umfeldes, damit ein Kind sich später anderen kulturellen Einflüssen öffnen könne. Für Menschen, die unter » (ebd.) sehr engen kulturellen Rahmenbedingungen aufwachsen« ist der Erwerb von interkultureller Kompetenz ungleich schwerer. Die kindliche Prägung trägt entscheidend dazu bei, inwieweit jemand motiviert ist, interkulturelle Kompetenz zu erwerben oder sich an einen anderen Kulturkreis anzupassen. In unseren Trainings ist es immer eine ganz besondere Herausforderung auch die Teilnehmer zu motivieren und zu begeistern, welche von sich aus niemals ein Training zum Erwerb interkultureller Kompetenz besuchen würden und sauer sind - sowohl auf die Personalabteilung, als auch auf den Trainer - solch einer Veranstaltung beiwohnen zu müssen. Aber gerade diese Teilnehmer sind es, für die ein derartiges Training besonders wertvoll sein könnte. Professor Hüther sieht hier speziell den Arbeitgeber in der Pflicht, die Wichtigkeit der interkulturellen Kompetenz zu betonen. Druck würde allerdings nicht helfen, sondern nur »supportive Leadership«. (ebd.) Für mich als Trainer sind solche Einsichten nichts Neues, wenn ich auch die Bestätigung aus der Biologie zu schätzen weiß. Vielleicht helfen diese Erkenntnisse der Neurobiologie, daß daß das Phänomenen Interkulturelle Kompetenz, welches sich trotz zahlreicher wissenschaftlicher Versuche nur schwer messen lässt, auch von rein betriebswirtschaftlich denkenden Menschen ernster genommen wird. Interkulturelle Kompetenz ist kein »nice to have«, wenn man auf dem internationalen Parkett mitspielen möchte. Die jetzige Wirtschaftskrise zeigt einmal mehr, daß es ohne das internationale Parkett gar nicht mehr geht. Interkulturelle Kompetenz wird damit zum »must-have«. Für den Erwerb interkultureller Kompetenz lassen sich drei Schlussfolgerungen ziehen: Nicht jeder Mensch ist gleichermaßen dazu geeignet, interkulturelle Kompetenz zu entwickeln. Die interkulturelle Forschung hat hier einige wirksame Instrumente entwickelt, um diese Eignung zu messen, beziehungsweise inwieweit Überhaupt eine Motivation zum Erwerb interkultureller Kompetenz vorhanden ist. Bei der Besetzung von Führungspositionen, welche heutzutage immer auch internationales Handeln implizieren, ist dies ein wichtiger Faktor. In jedem Fall wichtig ist, daß Trainingsmaßnahmen von allen Seiten des Unternehmens unterstützt werden und nicht allein von der Personalabteilung. Herrscht im Unternehmen ein offenes und unterstützendes Klima, können interkulturelle Personalentwicklungsmaßnahmen eine viel größere Wirkung entfalten. Und letztlich kommt es natürlich auch auf die Trainerkompetenz an, damit gerade die Teilnehmer motiviert werden, welche aufgrund ihrer persönlichen Prägung fremden kulturellen Einflüssen eher mit Misstrauen begegnen. Gerade bei länderspezifischen interkulturellen Trainings wird der Aspekt der Trainerkompetenz von vielen Einkäufern dieser Trainings wenig beachtet. Es reicht eben nicht aus, daß die Person, welche das Training durchführt, selber aus der Kultur stammt. Für die Teilnehmer mag es durchaus förderlich sein, einen Kulturträger der Zielkultur vor sich zu haben, die methodische Kompetenz ist aber von weit größerer Wichtigkeit, um die gewünschten Lerneffekte zu erzielen. Ansonsten handelt es sich nur um einen Vortrag und nicht um ein interkulturelles Training. Auch bedeutet »Kulturträger« zu sein nicht auch automatisch, daß man den nötigen Reflexionsgrad über die eigene Kultur mit sich bringt und andere zur Reflexion über die eigene und die andere Kultur anregen kann. Jeder Mensch hat eine Psyche. Psychotherapeut zu werden, ist dagegen ein langwieriger Prozess der Reflexion und Ausbildung. |