Der Indo-German Business Summit: ErfahrungenDie Veranstaltung oben war eigentlich von Maier+Vidorno, avocado Rechtsanwälten und Mindset India als eine zweigleisige Veranstaltung geplant gewesen. Auf der einen Seite wollten wir deutsche Unternehmen ansprechen, die sich für Investitionen in Indien interessieren und auf der anderen Seite indische Unternehmen, die sich für Deutschland interessieren. Leider war die Resonanz für den ersten Teil der Veranstaltung so gering gewesen, dass wir diese Veranstaltung abblasen mussten. Vielleicht lag es daran, dass das Land Berlin außerhalb der Stadtmauern keine Werbung geschaltet hat und die Berliner Wirtschaft an sich nicht besonders an Indien interessiert ist. Der deutsche Teil der Veranstaltung war jedenfalls ein voller Erfolg. An die 40 indische Unternehmerinnen und Unternehmer und einige Deutsche kamen um 9:00 Uhr morgens in das Rote Rathaus, um der Eröffnungsrede des indischen Botschafters zu lauschen. Die Veranstaltung selber ganz im Zeichen von M&A Aktivitäten in Deutschland. So gab es eine Menge Vorträge von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Vertretern von Wirtschaftsbranchen, die für Inder zurzeit besonders interessant sind.Ein Highlight der Veranstaltung - der passenderweise auch den zeitlichen Mittelpunkt der Veranstaltung bildete - war der Vortrag eines indischen Werksleiters eines mitteldeutschen Automobilzulieferers, der vor nicht langer Zeit in die Insolvenz gehen musste und von einem indischen Großkonzern aufgekauft wurde. Der indische Werksleiter berichtete sowohl von den Herausforderungen als auch von den Erfolgen, die er hier in Deutschland errungen hatte. Er hatte zum Beispiel keine Probleme, ein Arbeitsvisum für sich und seine beiden anderen indischen Kollegen zu bekommen. Auch war es kein Problem, die Familienzusammenführung mit seiner Frau und seinen Kindern durchzusetzen. Ab diesem Punkt wurden aber die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Indien besonders offensichtlich: während in Deutschland der Begriff Familie sich allein auf die Kernfamilie konzentriert, zählt man in Indien auch die eigenen Eltern zu der Kernfamilie. Leider war es dem Werksleiter nicht möglich, ein Visum für seine alte Mutter zu bekommen. Auch seine anderen Kollegen hatten in dieser Beziehung kein Glück. Von dem Privaten abgesehen war auch die Anfangszeit in Deutschland nicht ohne Herausforderungen gewesen. Der mitteldeutsche Automobilzulieferer hatte nach der Wende ein westdeutsches Management bekommen, dass mit der ostdeutschen Belegschaft nicht besonders warm werden konnte. Nach dem Verkauf des Unternehmens an einen indischen Großkonzern kamen zu der westdeutschen und der ostdeutschen Insel auch noch eine indische Insel mit dazu. Man kann sich vorstellen, dass es der indische Werksleiter nicht einfach hatte, für ein vernünftiges Betriebsklima zu sorgen. Erschwerend hinzu kam noch die Tatsache, dass die ostdeutsche Belegschaft wenig bis gar kein Englisch konnte. Der indische Werksleiter war voll des Lobes ob der Bereitwilligkeit der Arbeiter, in ihrer Freizeit Englischunterricht zunehmen. Hochinteressant waren die Kennzahlen, die uns der indische Werksleiter in seinem Vortrag präsentierte. Er hatte es geschafft, die Kennzahlen genau in den Bereichen zu verbessern, die man gemeinhin als indische Grundtugenden bezeichnen würde: er konnte die Rate Rohstoffe zu verkaufbaren Produkten signifikant verbessern, sowie durch typisch indisches Verhandlungsgeschick die Preise der Lieferanten für Rohstoffe und Zwischenprodukte deutlich senken. In unseren Workshops passiert es nicht selten, dass die deutschen Teilnehmer ihre indischen Kollegen für ineffizient halten. Meiner Meinung nach fehlt es gerade Deutschen schwer, andersartige Arbeitsweisen als ebenbürtig anzuerkennen. Unter diesem Aspekt waren diese harten Zahlen sehr aufschlussreich. Die Kennzahlen in allen anderen Bereichen sind auf dem gleichen Niveau geblieben oder sogar besser geworden, was in Anbetracht der seit anderthalb Jahren andauernden Wirtschaftskrise beachtlich ist. Dazu muss man natürlich anmerken, dass die Belegschaft weiterhin Deutsch geblieben und nur die direkte Werksleitung indisch geworden ist. Im Anschluss an die Präsentation des indischen Werksleiters kam es zu einer sehr angeregten Diskussion zwischen den indischen Teilnehmern unserer Veranstaltung und dem Werksleiter, als es um die deutschen Arbeitszeiten ging. Die indischen Teilnehmer konnten nicht verstehen, wie Belegschaft eines Automobilzulieferers so wenig - nämlich 40 h - pro Woche arbeiten kann und trotzdem so viel produziert. Der indische Werksleiter führte das darauf zurück, dass die deutsche Belegschaft während der Arbeitszeit zu fast 99 % auch arbeitet. Die indischen Unternehmer waren von Indien Wochenarbeitszeiten von über 60 h gewöhnt. Der indische Werksleiter hat diese Differenz auf den erhöhten Kommunikationsbedarf indischer Mitarbeiter zurückgeführt. Während deutsche Mitarbeiter ihre privaten Gespräche eher auf ihrer Freizeit beziehungsweise die Pausen beschränken, reden indische Mitarbeiter auch während der Arbeit sehr gerne und sehr viel mit ihren Kollegen, mit denen sie ein wesentlich engeres Verhältnis haben, als es in Deutschland üblich ist. Nichtsdestotrotz fiel es den indischen Unternehmerinnen und Unternehmern schwer zu verstehen, wie bei so wenig Arbeitszeit so viel geleistet werden kann. Den indischen Werksleiter und seinen beiden Kollegen, die auch anwesend waren, konnte man allerdings auch anmerken, dass ihnen die deutsche Tüchtigkeit und das im Vergleich zu Indien deutlich kältere Betriebsklima auch ein bisschen unbehaglich waren. Offen ausgesprochen haben sie das in typisch indische Manier natürlich nicht. Sascha Bosetzky |